Beim Kauf einer Neubauwohnung oder eines Einfamilienhauses unterschreiben viele Käufer einen Bauträgervertrag - ohne ihn wirklich zu verstehen. Dabei ist dieser Vertrag kein gewöhnlicher Kaufvertrag. Hier zahlen Sie Geld für etwas, das noch gar nicht existiert. Und das birgt Risiken. Viele Käufer merken erst später, dass sie zu viel bezahlt haben, Materialien ausgetauscht wurden oder der Bauträger insolvent wurde. Die gute Nachricht: Mit der richtigen Prüfung können Sie sich fast vollständig schützen. Hier steht, was wirklich zählt.
Was ist ein Bauträgervertrag - und warum ist er anders?
Ein Bauträgervertrag ist ein Vertrag, bei dem Sie ein Haus oder eine Wohnung kaufen, die noch nicht gebaut ist. Der Bauträger - meist ein Entwickler oder Bauunternehmen - verspricht, das Objekt schlüsselfertig zu liefern. Sie zahlen nicht einmalig, sondern in Raten, die an den Baufortschritt gekoppelt sind. Das klingt logisch. Doch hier liegt das Problem: Sie zahlen vor, der Bauträger baut danach. Und wenn er pleitegeht, während der Bau läuft, ist Ihr Geld weg - es sei denn, es gibt Sicherheiten.Im Gegensatz zu einem Kaufvertrag für eine gebrauchte Immobilie, bei der Sie das Haus bereits sehen und abnehmen können, tragen Sie bei einem Neubau das volle Risiko. Laut dem Bauherren-Schutzbund müssen 70-80 % aller Neubaukäufer in Deutschland einen solchen Vertrag unterschreiben. Und fast jeder dritte Käufer erlebt unerwartete Kosten oder Abweichungen. Das muss nicht sein.
Die 5 unverzichtbaren Schutzklauseln im Bauträgervertrag
Die MaBV (Makler- und Bauträgerverordnung) schreibt seit 2021 vor, was in einem Bauträgervertrag mindestens stehen muss. Aber viele Verträge sind so formuliert, dass sie diese Mindestanforderungen aushebeln. Hier sind die fünf Klauseln, die Sie unbedingt prüfen müssen:
- Baubeschreibung mit allen Details: Nicht nur „Badezimmer mit Fliesen“ - sondern genau: „Fliesen von Villeroy & Boch, Modell „Ceramica White“, Größe 60 x 60 cm, Verlegung in Ziegelverband“. Die Muster-Bausatzung des Bundesjustizministeriums empfiehlt mindestens 150 Einzelpunkte. Ohne diese Genauigkeit kann der Bauträger später „technisch zweckmäßig“ teurere Materialien durch billigere ersetzen - und Sie zahlen trotzdem den vollen Preis.
- Zahlungsplan nach Baufortschritt: Der Vertrag darf maximal 95 % des Kaufpreises vor Fertigstellung fordern. Die letzte Rate von mindestens 5 % ist erst nach Abnahme fällig. Typisch und sicher: 10 % Anzahlung, 20 % bei Rohbaufertigstellung, 25 % bei Dachdeckung, 25 % bei Innenausbau, 15 % bei Fenstereinbau, 5 % nach Abnahme. Wer mehr verlangt, handelt rechtswidrig.
- Fertigstellungsbürgschaft: Das ist Ihr wichtigster Schutz, falls der Bauträger pleitegeht. Die Bürgschaft muss mindestens 95 % des Kaufpreises abdecken und von einer anerkannten Bank oder Versicherung ausgestellt sein. Ohne diese Bürgschaft ist Ihr Geld verloren - selbst wenn das Haus fast fertig ist. Laut BSB-Insolvenzreport 2023 greift die Bürgschaft in 82 % der Fälle, wenn der Bauträger zahlungsunfähig wird.
- Auflassungsvormerkung im Grundbuch: Diese Eintragung sichert Ihnen das Eigentum, noch bevor das Haus fertig ist. Der Bauträger kann die Immobilie dann nicht mehr an jemand anderen verkaufen oder verpfänden. Laut dem Notariatsportal ist das „das zentrale Sicherungsmittel“. Ohne sie riskieren Sie, dass Sie nach der Fertigstellung nicht der rechtliche Eigentümer sind - obwohl Sie schon alles bezahlt haben.
- Gewährleistungsbürgschaft: Nach dem BGB haben Sie 4 Jahre Gewährleistung auf Baumängel. Aber wer zahlt, wenn der Bauträger verschwunden ist? Die Gewährleistungsbürgschaft deckt diese Kosten ab. Sie muss mindestens 4 Jahre laufen und den vollen Betrag für notwendige Reparaturen abdecken. Nicht nur „Mängel“ - sondern auch „Fehler in der Ausführung“.
Warum „Änderungen vorbehalten“ unwirksam ist
Fast jeder Bauträgervertrag enthält eine Klausel wie: „Änderungen in Planung und Ausführung behält sich der Bauträger vor.“ Klingt harmlos. Ist es aber nicht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Urteilen klargestellt: Diese Formulierungen sind unwirksam.
Warum? Weil sie gegen § 307 BGB verstoßen - den Schutz des Verbrauchers vor unangemessenen Nachteilen. Der Bauträger darf nicht einfach so Materialien austauschen, die Fläche verkleinern oder die Heizung wechseln. Wenn er das tun will, muss er Sie ausdrücklich einwilligen lassen - und zwar vor der Änderung. Und selbst dann: Nur wenn es eine technisch notwendige, unvermeidbare Änderung ist - nicht weil er billigeres Material bekommt.
Ein Fall aus der Praxis: Ein Käufer erhielt statt der vereinbarten Markenfliesen eine billige Alternative. Der Bauträger argumentierte: „Das ist technisch zweckmäßig.“ Der BGH sagte: „Nein. Das ist ein Vertragsbruch.“ Erst nach Einschaltung eines Anwalts erhielt der Käufer 15 % Preisnachlass. Wer solche Klauseln im Vertrag findet, sollte sie streichen - oder einen Anwalt hinzuziehen.
Zahlungspläne: Wie viel darf der Bauträger verlangen - und wann?
Ein guter Zahlungsplan ist Ihr größter Schutz. Er verhindert, dass Sie zu viel zu früh zahlen - und damit das Risiko erhöhen, wenn etwas schiefgeht.
Der Vertrag muss klar benennen, wann welche Rate fällig wird - und was genau dafür erbracht sein muss. Keine vagen Begriffe wie „nach Beginn des Innenausbaus“. Sondern: „Nach Vorlage des Prüfprotokolls des Dachdeckerhandwerkers und der Baustellenbesichtigung durch den Bauherren.“
Ein realistischer, sicherer Zahlungsplan sieht so aus:
- 10 % bei Vertragsunterzeichnung
- 20 % bei Rohbaufertigstellung (nach Vorlage des Statikgutachtens)
- 25 % nach Dachdeckung und Abdichtung
- 25 % nach Innenausbau (Trockenbau, Elektro, Sanitär)
- 15 % nach Fenster- und Türmontage
- 5 % nach Abnahme und Schlüsselübergabe
Wer mehr als 95 % vor Fertigstellung verlangt, verstößt gegen die MaBV. Wer die letzte Rate vor Abnahme fordert, macht sich strafbar. Und wer eine Anzahlung von 30 % oder mehr verlangt, spielt mit Ihrem Geld - und Ihrem Risiko.
Was Sie vor der Unterschrift tun müssen
Ein Bauträgervertrag ist kein Dokument, das man am Küchentisch unterschreibt. Hier sind die drei Schritte, die jeder Käufer machen muss - unabhängig davon, ob er Anwalt hat oder nicht.
- Prüfen Sie die Baubeschreibung mit einem unabhängigen Gutachter. Ein Gutachter kostet 800-1.500 Euro. Aber laut BSB-Gutachterstudie spart er im Durchschnitt 12.700 Euro an späteren Nachbesserungen. Er prüft, ob die Materialien konkret genannt sind, ob die energetischen Standards eingehalten werden und ob die Ausstattung mit dem Angebot übereinstimmt.
- Prüfen Sie die Sicherheiten. Fragen Sie den Bauträger nach der Fertigstellungsbürgschaft. Fordern Sie eine Kopie der Bürgschaftsurkunde an. Prüfen Sie, ob die Bank oder Versicherung anerkannt ist (z. B. von der BaFin zugelassen). Fragwürdig: „Wir haben eine Bürgschaft bei unserer Hausbank.“ Das reicht nicht. Die Bürgschaft muss auf Sie lauten - nicht auf den Bauträger.
- Stellen Sie sicher, dass die Auflassungsvormerkung im Grundbuch steht. Bevor Sie die erste Rate zahlen, muss die Auflassungsvormerkung eingetragen sein. Fragen Sie den Notar: „Ist die Vormerkung bereits erfolgt?“ Wenn nein - zahlen Sie nicht. Punkt. Das ist kein Verhandlungspunkt. Das ist eine Voraussetzung.
Was passiert, wenn der Bauträger pleitegeht?
Im Jahr 2022 gab es 42.700 Vertragsstreitigkeiten bei Neubauten - ein Anstieg von 18,3 % gegenüber 2021. Ein Teil davon ist auf Insolvenzen zurückzuführen. Was tun, wenn der Bauträger nicht mehr zahlt?
Wenn Sie die Fertigstellungsbürgschaft haben, greift sie. Die Bürgschaftsgeberin (Bank oder Versicherung) übernimmt die Kosten für den Weiterbau - oder zahlt Ihnen den Kaufpreis zurück. Sie erhalten dann den Vertrag und können den Bau von einem anderen Bauträger fortsetzen.
Ohne Bürgschaft? Dann sind Sie auf sich gestellt. Sie können versuchen, das Grundstück zu verkaufen - aber nur, wenn die Auflassungsvormerkung steht. Dann ist das Grundstück rechtlich Ihnen zugeordnet. Aber: Ohne Fertigstellungsbürgschaft ist der Bau oft nicht abgeschlossen. Und ohne Fertigstellung gibt es keinen Verkauf. Sie sitzen auf einem halbfertigen Haus - und haben alles bezahlt.
Ein Erfahrungsbericht aus Stuttgart: Ein Käufer hatte eine Auflassungsvormerkung, aber keine Fertigstellungsbürgschaft. Der Bauträger brach Mitte des Innenausbaus zusammen. Der Käufer konnte das Grundstück nicht verkaufen - weil das Haus nicht fertig war. Er musste 18 Monate warten, bis ein neuer Bauträger gefunden wurde - und zahlte zusätzlich 25.000 Euro für die Fertigstellung. Mit Bürgschaft wäre das alles nicht passiert.
Was sich ab 2024 ändern wird
Die Bundesregierung plant eine Novellierung der MaBV, die voraussichtlich ab Juli 2024 in Kraft tritt. Die wichtigsten Änderungen:
- Maximal 5 % Anzahlung (statt bisher 10 %)
- Pflicht zur Vorlage einer detaillierten Energiebilanz
- Stärkere Anforderungen an die Auflassungsvormerkung
- Verpflichtende Nachweise für alle verwendeten Materialien
Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber: Diese Regeln gelten erst ab 2024. Bis dahin sind Sie auf Ihre eigene Vorsicht angewiesen. Die Verbraucherzentrale hat eine Kampagne gestartet: „Sicher bauen statt riskieren“. Sie bietet kostenlose Erstberatung an - nutzen Sie sie.
Was Sie jetzt tun müssen
Wenn Sie gerade einen Bauträgervertrag unterschreiben wollen:
- Lesen Sie die Baubeschreibung Zeile für Zeile - und fragen Sie nach, wenn etwas unklar ist.
- Stellen Sie sicher, dass die Fertigstellungsbürgschaft 95 % abdeckt und auf Sie ausgestellt ist.
- Prüfen Sie, ob die Auflassungsvormerkung im Grundbuch steht - bevor Sie die erste Rate zahlen.
- Streichen Sie alle Klauseln mit „Änderungen vorbehalten“ - oder lassen Sie sie von einem Anwalt prüfen.
- Bestehen Sie auf einem Zahlungsplan mit maximal 95 % vor Fertigstellung.
- Holen Sie sich einen unabhängigen Gutachter - auch wenn es 1.000 Euro kostet.
Ein Neubau ist eine der größten Investitionen Ihres Lebens. Er sollte nicht zum Risiko werden - nur weil Sie den Vertrag nicht geprüft haben. Wer heute vorsichtig ist, wohnt morgen sicher - und zahlt nicht mehr, als er sollte.
Was passiert, wenn der Bauträger die Fertigstellungsbürgschaft nicht vorlegt?
Wenn der Bauträger die Fertigstellungsbürgschaft nicht vorlegt, sollten Sie die erste Zahlung nicht leisten. Ohne Bürgschaft ist Ihr Geld bei Insolvenz des Bauträgers verloren. Die Bürgschaft ist kein Bonus - sie ist die Voraussetzung für jeden sicheren Neubaukauf. Ein Notar oder Anwalt kann Ihnen helfen, die Bürgschaft einzufordern. Falls der Bauträger sich weigert, suchen Sie einen anderen Anbieter.
Darf der Bauträger die Ausstattung nachträglich ändern?
Nein, nicht ohne Ihre ausdrückliche Zustimmung. Selbst wenn im Vertrag steht „Änderungen vorbehalten“, ist das rechtlich unwirksam, wie der Bundesgerichtshof mehrfach entschieden hat. Der Bauträger muss Ihnen vor jeder Änderung ein Angebot vorlegen - und Sie müssen schriftlich zustimmen. Wenn er Materialien austauscht, ohne Sie zu fragen, haben Sie Anspruch auf Preisnachlass oder Nachbesserung.
Wie hoch darf die Anzahlung sein?
Laut MaBV darf die Anzahlung maximal 10 % des Kaufpreises betragen. Ab Juli 2024 wird diese Grenze auf 5 % gesenkt. Viele Bauträger versuchen, höhere Anzahlungen durchzusetzen - das ist rechtswidrig. Wenn Sie mehr als 10 % zahlen sollen, verlangen Sie eine Änderung. Ein Anwalt kann Ihnen helfen, diese Klausel zu streichen.
Warum ist die Auflassungsvormerkung so wichtig?
Die Auflassungsvormerkung im Grundbuch sichert Ihnen das Eigentum, bevor das Haus fertig ist. Ohne sie kann der Bauträger das Grundstück weiterverkaufen, verpfänden oder versteigern - und Sie verlieren Ihr Geld. Sie ist das einzige Mittel, das verhindert, dass Sie für ein Haus zahlen, das nie Ihnen gehört. Sie muss vor der ersten Zahlung eingetragen sein - sonst kein Cent.
Was ist der Unterschied zwischen Fertigstellungsbürgschaft und Gewährleistungsbürgschaft?
Die Fertigstellungsbürgschaft schützt Sie, wenn der Bauträger vor Fertigstellung insolvent wird - sie zahlt den Weiterbau oder den Kaufpreis zurück. Die Gewährleistungsbürgschaft schützt Sie nach der Abnahme, wenn Mängel auftreten und der Bauträger nicht mehr zahlt - sie deckt die Kosten für Reparaturen ab. Beide sind notwendig. Eine reicht nicht.
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