Neubauquoten und Baugenehmigungen: Warum der Immobilienmarkt in Deutschland stockt
Im Jahr 2025 wird in Deutschland wieder über Wohnungen gesprochen - aber nicht, weil zu viele gebaut werden, sondern weil viel zu wenig entstehen. Die Zahlen vom Statistischen Bundesamt sind klar: Im ersten Halbjahr 2025 wurden nur 110.000 Wohnungen genehmigt. Das klingt nach einem leichten Plus von 2,9 % gegenüber 2024. Doch hinter dieser Zahl verbirgt sich eine Krise. Dieser Wert ist der niedrigste für eine erste Jahreshälfte seit 2010. Und das, obwohl Deutschland nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) mindestens 400.000 neue Wohnungen pro Jahr braucht, um den Bedarf zu decken. Die Lücke ist gigantisch. Und sie wird größer, nicht kleiner.
Warum genehmigte Wohnungen nicht gleich gebaute Wohnungen sind
Eine Baugenehmigung ist kein Baubeginn. Sie ist nur der erste Schritt - und oft der längste. Die Zeit zwischen Genehmigung und Fertigstellung dauert im Durchschnitt 22,4 Monate für Einfamilienhäuser und fast drei Jahre für Mehrfamilienhäuser. Das bedeutet: Die 110.000 Wohnungen, die im ersten Halbjahr 2025 genehmigt wurden, werden erst Mitte bis Ende 2027 auf dem Markt sein. Bis dahin hat sich die Lage weiter verschärft.
Und es gibt noch einen anderen Faktor: Der Bauüberhang. Ende 2024 waren 214.000 Wohnungen bereits genehmigt, aber noch nicht gebaut. Das ist ein riesiger Stau. Warum? Weil die Bauunternehmen nicht genug Personal haben, weil Materialien teuer sind, weil die Behörden langsam arbeiten. Die Genehmigungsverfahren sind ein Albtraum. Laut einer Umfrage des Zentralverbands des Deutschen Handwerks benötigen 68 % der Bauunternehmen mehr als sechs Monate für eine Genehmigung. In Berlin dauert es durchschnittlich 9,3 Monate. In München wurde ein Projekt mit 32 Wohnungen nach 14 Monaten noch immer nicht genehmigt - weil die Feuerwehr und das Umweltamt sich nicht einigen konnten.
Die falsche Priorität: Einfamilienhäuser statt Mietwohnungen
Die größte Verzerrung im System ist die Verteilung der Genehmigungen. Im ersten Halbjahr 2025 stiegen die Genehmigungen für Einfamilienhäuser um 14,1 %. Das klingt gut. Doch genau das ist das Problem. Einfamilienhäuser brauchen viel mehr Fläche, verbrauchen mehr Infrastruktur und liefern kaum Mietwohnungen. Und genau diese Mietwohnungen brauchen die Städte am dringendsten.
Die Mehrfamilienhäuser - die eigentlich die Lösung sein sollten - stagnieren. Im ersten Halbjahr 2025 stiegen die Genehmigungen für Mehrfamilienhäuser nur um 0,1 %. Das ist statistisch irrelevant. Ein einziger zusätzlicher Bauantrag. In den ersten acht Monaten des Jahres 2025 wurden 69.300 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern genehmigt. Das ist weniger als 2021, als noch 82.400 genehmigt wurden. Die Bertelsmann-Stiftung hat berechnet: 85 % der in Städten benötigten Wohnungen müssten in Mehrfamilienhäusern entstehen. Stattdessen bauen wir immer mehr Einfamilienhäuser - auf Kosten der Stadtentwicklung, der Klimaziele und der bezahlbaren Mieten.
Die Kosten explodieren - die Mieten nicht
Warum bauen Unternehmen nicht mehr? Weil es sich nicht mehr lohnt. Die Baukosten sind seit 2022 um 38 % gestiegen. Eine Quadratmeterwohnung kostet heute 2.553 € - vor drei Jahren waren es noch 1.850 €. Die Mieten sind dagegen nur um 18 % gestiegen. Das ist eine unlösbare Gleichung. Wer eine Wohnung baut, um sie zu vermieten, verliert Geld. Deshalb ziehen sich viele Bauträger zurück. Vor allem in ländlichen Regionen und bei Sozialwohnungen. Die Bundesregierung hat darauf mit einem Sozialwohnungsbau-Programm von 4,2 Milliarden Euro reagiert. Bis zu 120.000 € pro Wohnung werden subventioniert. Doch das reicht nicht. Die Subventionen decken nicht die gesamte Kostendifferenz. Und sie kommen zu spät.
Die Behörden sind der größte Engpass
Die Bauindustrie hat 2024 das "Bau-Turbo"-Programm mit der Bundesregierung vereinbart: Digitale Anträge, klare Fristen, ein Ansprechpartner. Klingt gut. Doch in nur 42 % der Kommunen ist es vollständig umgesetzt. In vielen Städten läuft alles noch per Post. Die Bauämter haben nicht genug Personal. 72 % der Bauunternehmen nennen fehlende Fachkräfte bei den Behörden als Hauptgrund für Verzögerungen. 58 % klagen über komplizierte Nachweise für den Klimaschutz. Die Vorschriften sind gut gemeint, aber schlecht umgesetzt. Ein Bauantrag muss heute fünf verschiedene Ämter passieren - jedes mit eigenen Regeln, eigenen Formularen, eigenen Fristen. Kein Wunder, dass Projekte liegenbleiben.
Was passiert, wenn nichts geändert wird?
Die Prognosen sind düster. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) warnt: Bis 2030 könnte Deutschland 1,5 Millionen Wohnungen unter dem benötigten Niveau haben. Das ist keine Zahl aus der Luft. Das ist eine Rechnung: 300.000 genehmigte Wohnungen pro Jahr versus 400.000 benötigte. Die Lücke wächst jedes Jahr um 100.000. Die Folgen? Mietpreise steigen weiter. Menschen verlassen Städte. Familien müssen immer weiter von ihren Arbeitsplätzen wegziehen. Sozialer Zusammenhalt bricht zusammen.
Die Bundesregierung plant für November 2025 eine Reform des Baugesetzbuchs - mit der Absenkung des KfW-75-Standards. Das soll die Baukosten senken. Aber ist das die Lösung? Ein niedrigerer Energiestandard bedeutet mehr CO₂-Ausstoß. Und es löst nicht das Problem der Verwaltung, der Fachkräfte oder der Flächenverknappung. Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein.
Die Zukunft: Was wirklich helfen würde
Was braucht der Markt? Drei Dinge. Erstens: Mehr Fachkräfte. Die neue Zuwanderungsregelung für Bauarbeiter ab Januar 2026 ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber sie kommt zu spät. Zweitens: Digitale Behörden. Jede Kommune braucht ein einheitliches, digitales Bauantragsportal - mit automatischer Prüfung, klaren Fristen und einem einzigen Ansprechpartner. Drittens: Mehr Mehrfamilienhäuser. Die Förderung von Einfamilienhäusern muss endlich reduziert werden. Stattdessen müssen Städte Flächen für dichte, öffentlich verkehrsgerechte Quartiere bereitstellen. Und die Baukosten müssen für Mietwohnungen wieder rentabel werden - nicht durch Senkung von Standards, sondern durch echte Subventionen und bessere Planung.
Die Baugenehmigungen sind kein technisches Problem. Sie sind ein politisches. Wir bauen nicht zu wenig. Wir bauen falsch. Und wir lassen die Systeme im Stich, die eigentlich laufen müssten. Solange das so bleibt, wird die Wohnungsnot nicht verschwinden. Sie wird nur noch größer.
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