Beleihungsauslauf in der Immobilienfinanzierung: So berechnen Sie ihn und warum er Ihre Zinsen bestimmt
                            Stellen Sie sich vor, Sie finden Ihre Traumwohnung - und haben genau genug Geld, um sie zu kaufen. Aber die Bank sagt Nein. Nicht, weil Sie schlecht verdienen, sondern weil Ihr Beleihungsauslauf zu hoch ist. Das klingt technisch, aber es entscheidet darüber, ob Sie überhaupt eine Finanzierung bekommen - und zu welchen Konditionen. In Deutschland ist der Beleihungsauslauf nicht nur eine Zahl, er ist das Herzstück jeder Baufinanzierung.
Was ist der Beleihungsauslauf - einfach erklärt
Der Beleihungsauslauf, auch LTV-Ratio genannt, sagt einfach: Wie viel von Ihrem Traumhaus finanzieren Sie mit Fremdkapital? Er zeigt das Verhältnis zwischen dem Kredit, den Sie brauchen, und dem tatsächlichen Wert der Immobilie - aber nicht dem Kaufpreis. Das ist wichtig.
Die Formel ist simpel: Kreditbedarf geteilt durch Beleihungswert mal 100. Ergebnis: ein Prozentwert. Wenn Sie 200.000 Euro Kredit brauchen und der Beleihungswert der Wohnung 250.000 Euro beträgt, ist Ihr Beleihungsauslauf 80 Prozent. Klingt nach viel? In Deutschland ist das fast die Obergrenze.
Warum nicht einfach der Kaufpreis? Weil Banken vorsichtig sind. Der Beleihungswert ist nicht der Preis, den der Verkäufer verlangt. Er ist der Wert, den ein unabhängiger Gutachter festlegt - abzüglich eines Sicherheitsabschlags von 10 bis 20 Prozent. Das ist der Puffer, den die Bank braucht, falls der Markt einbricht oder die Immobilie nicht so schnell verkauft werden kann. In der Praxis bedeutet das: Wenn Sie eine Wohnung für 480.000 Euro kaufen, kann der Beleihungswert nur 384.000 Euro betragen - wenn die Bank 20 Prozent Abschlag macht.
Warum ist der Beleihungsauslauf so wichtig?
Ein hoher Beleihungsauslauf bedeutet mehr Risiko - für die Bank und für Sie. Je mehr Geld die Bank leiht, desto größer ist die Chance, dass sie bei einem Verkauf nicht alles zurückbekommt. Deshalb setzen Banken klare Grenzen.
Die meisten deutschen Institute akzeptieren maximal 80 Prozent. Nur 12 Prozent gehen bis 90 Prozent - und das meist nur mit Zusatzsicherheiten. Bei 85 Prozent und mehr wird es richtig eng: Zinsen steigen, Zusatzversicherungen kommen dazu, und manche Banken verlangen sogar eine höhere Tilgung. Laut einer Analyse der Frankfurt School of Finance & Management sinkt die Ausfallwahrscheinlichkeit bei Krediten unter 70 Prozent Beleihungsauslauf um fast 60 Prozent im Vergleich zu Krediten über 90 Prozent.
Und das hat direkte Auswirkungen auf Ihre Tasche. Dr. Andreas Döring von der Bausparkasse Schwäbisch Hall sagt: Jeder Prozentpunkt unter 80 Prozent bringt Ihnen 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte Zinsvorteil. Das klingt nach wenig - aber bei einem 300.000-Euro-Kredit sind das 300 bis 600 Euro pro Jahr. Über 20 Jahre? Das sind 6.000 bis 12.000 Euro mehr in Ihrer Tasche.
Wie wird der Beleihungswert berechnet?
Der Beleihungswert ist nicht einfach der Kaufpreis. Er wird von einem unabhängigen Gutachter ermittelt - und das ist kein Formsache. In Deutschland nutzen 90 Prozent der Banken externe Gutachter mit mindestens fünf Jahren Berufserfahrung. Die Praxis sieht so aus:
- Der Gutachter prüft Lage, Zustand, Größe und Ausstattung der Immobilie.
 - Dann vergleicht er mit ähnlichen Verkaufsfällen in der Umgebung.
 - Als Nächstes zieht er einen Sicherheitsabschlag ab - meist 10 Prozent bei Wohnungen, bis zu 20 Prozent bei Gewerbeimmobilien.
 
Das ist der Punkt, an dem viele Kreditnehmer überrascht sind: Der Kaufpreis liegt oft höher als der Beleihungswert. Laut Wüstenrot liegt der Beleihungswert bei 41 Prozent aller Immobilien mindestens 5 Prozent unter dem Kaufpreis. Das bedeutet: Wenn Sie 500.000 Euro zahlen, aber der Beleihungswert nur 475.000 Euro beträgt, müssen Sie mehr Eigenkapital einbringen, als Sie dachten.
Beispiel: Sie wollen eine Wohnung für 500.000 Euro kaufen. Sie haben 100.000 Euro Eigenkapital. Sie brauchen also 400.000 Euro Kredit. Aber der Beleihungswert ist nur 450.000 Euro (nach 10 Prozent Abschlag). Dann ist Ihr Beleihungsauslauf: 400.000 / 450.000 = 88,9 Prozent. Das ist zu hoch. Die Bank sagt Nein - oder verlangt eine Restschuldversicherung, die Ihnen 1,2 Prozent Aufschlag kostet. Plötzlich zahlen Sie nicht nur mehr Zinsen, sondern auch eine teure Versicherung, die Sie gar nicht wollten.
Was passiert bei einem Beleihungsauslauf über 80 Prozent?
Ein Beleihungsauslauf über 80 Prozent ist nicht unmöglich - aber er hat Konsequenzen. Die meisten Banken reagieren mit:
- Höheren Zinsen (oft 0,3 bis 0,7 Prozentpunkte mehr)
 - Pflichtversicherungen wie Restschuldversicherung oder Lebensversicherung
 - Strengeren Einkommensnachweisen - besonders für Selbständige
 - Kürzeren Laufzeiten oder höherer Tilgung
 
Ein Nutzer auf Immobilienstreit.de schreibt: „Mit 78 Prozent bekam ich 4 Angebote zwischen 3,2 und 3,6 Prozent. Bei 83 Prozent war nur noch ein Angebot bei 3,9 Prozent da.“
Bei über 85 Prozent wird es noch schwerer. Reddit-Nutzer „Rainer87“ berichtet: „Bei 88 Prozent hat die Bank plötzlich eine Restschuldversicherung verlangt - obwohl das im ersten Angebot nicht stand. Das war ein Zusatzkosten von 1.200 Euro pro Jahr.“
Die Deutsche Bundesbank bestätigt: Bei Beleihungsausläufen über 90 Prozent steigt die Ausfallwahrscheinlichkeit um 187 Prozent im Vergleich zu Krediten unter 70 Prozent. Deshalb sind Banken hier besonders vorsichtig - und das zahlt sich für Sie aus, wenn Sie es vermeiden.
Wie können Sie Ihren Beleihungsauslauf senken?
Wenn Sie merken, dass Ihr Beleihungsauslauf zu hoch ist, gibt es mehrere Wege, ihn zu senken - und das lohnt sich.
- More Eigenkapital sammeln: Das ist der einfachste Weg. Jeder zusätzliche Euro Eigenkapital senkt den Kreditbedarf. Selbst 5.000 Euro mehr können den Unterschied zwischen 81 und 78 Prozent machen - und damit 0,2 Prozent Zinsvorteil.
 - Verkaufen Sie Vermögen: Ein altes Auto, Aktien, eine Ferienwohnung - alles, was Sie verkaufen können, hilft.
 - Warten Sie: Laut einer Umfrage der Deutschen Vergleichsportal Gesellschaft brauchen Kreditnehmer durchschnittlich 8,4 Monate, um ihren Beleihungsauslauf zu optimieren. Viele sparen gezielt in dieser Zeit.
 - Nutzen Sie Förderprogramme: KfW-Kredite zählen nicht zum Kreditbedarf, wenn sie als Nebenkredit laufen. 72 Prozent der Finanzierungen mit über 80 Prozent Beleihungsauslauf nutzen mindestens ein Förderprogramm wie KfW 124. Das senkt den Kreditbedarf - und damit den Beleihungsauslauf.
 - Wählen Sie eine günstigere Immobilie: Ein Haus mit 400.000 Euro Kaufpreis statt 500.000 Euro reduziert den Kreditbedarf und erhöht den Beleihungswert relativ. Das ist oft die clevere Lösung.
 
Ein Tipp: Machen Sie eine Vorausrechnung, bevor Sie ein Angebot unterschreiben. Nutzen Sie kostenlose Online-Rechner von Interhyp oder Baufi24. Geben Sie Kaufpreis, Eigenkapital und erwarteten Beleihungswert ein - und sehen Sie, wo Sie stehen.
Was gilt für Selbständige?
Selbständige haben es schwerer. Banken sehen sie als höheres Risiko. Deshalb liegt die maximale Beleihungsgrenze oft bei 75 Prozent - nicht 80. Und die Einkommensnachweise müssen detaillierter sein: mindestens zwei Jahre Bilanzen, Steuerbescheide, Gewinn- und Verlustrechnungen.
Einige Banken verlangen sogar eine höhere Tilgung oder eine Sicherheit durch einen Bürgen. Wer hier nicht vorbereitet ist, landet schnell bei 85 Prozent - und dann bei hohen Zinsen und Versicherungen. Die Lösung: Planen Sie früh. Sparen Sie mehr Eigenkapital. Und lassen Sie sich von einem unabhängigen Finanzberater helfen - nicht vom Makler.
Aktuelle Trends: Was ändert sich 2025?
Der Markt verändert sich. Die Deutsche Bundesbank kündigte für 2024 eine dynamische Beleihungsauslauf-Bewertung an: Regionale Preisentwicklungen spielen jetzt eine größere Rolle. In Städten mit stark steigenden Preisen wie München oder Hamburg könnte der Beleihungswert leicht höher angesetzt werden - aber nur, wenn die Nachfrage stabil bleibt.
Commerzbank hat als erste Großbank ein Bonus-System eingeführt: Bei Beleihungsausläufen unter 65 Prozent gibt es bis zu 0,3 Prozentpunkte Zinsvorteil. Das ist neu - und zeigt, dass Banken immer mehr an den Kunden denken, die sicher sind.
Dennoch warnen Experten: In Zeiten hoher Zinsen wird der Druck steigen, den Beleihungsauslauf zu senken. Das könnte den Immobilienmarkt verlangsamen - besonders für junge Familien. Laut Prof. Dr. Marcel Tyrell von der HWR Berlin verfügen nur 32 Prozent der unter 35-Jährigen über genug Eigenkapital, um unter die 80-Prozent-Grenze zu kommen. Das ist ein Problem - aber kein Grund, aufzugeben.
Was ist der goldene Standard?
Experten wie Prof. Dr. Michael Voigtländer vom IW Köln sagen: Ein Beleihungsauslauf unter 60 Prozent ist der „goldene Standard“. Warum? Weil er nicht nur die beste Zinslage bringt, sondern auch Sicherheit. Sie sind weniger abhängig vom Markt. Sie können bei Jobverlust oder Krankheit länger durchhalten. Und Sie haben mehr Spielraum, wenn Sie später umfinanzieren wollen.
Der durchschnittliche Beleihungsauslauf bei neu vergebenen Krediten lag im zweiten Quartal 2023 bei 73,5 Prozent - ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Das bedeutet: Viele Deutsche sind näher an der Grenze, als sie denken. Aber das ist kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Es ist ein Grund, früh zu planen.
Der Beleihungsauslauf ist nicht Ihr Feind. Er ist ein Werkzeug. Wenn Sie ihn verstehen, können Sie ihn nutzen - statt von ihm kontrolliert zu werden. Rechnen Sie durch. Sparen Sie gezielt. Holen Sie sich Beratung. Und dann entscheiden Sie - mit klarem Kopf und vollem Verständnis.
1 Kommentare
Christian Mosso
Der Beleihungsauslauf ist kein Maß für Ihre finanzielle Intelligenz, sondern für die Banken-Logik, die seit 1998 nicht mehr aktualisiert wurde. Wer 80 % akzeptiert, hat nie eine Immobilie gekauft, die nicht von einem Makler verfälscht wurde. Der Beleihungswert ist ein Mythos, der von Gutachtern erfunden wurde, die nie in einer Wohnung übernachtet haben. Ich habe eine 450.000 €-Wohnung für 420.000 € gekauft – der Gutachter setzte den Wert auf 380.000 €. Warum? Weil er im Nachbarhaus einen kaputten Heizkörper gesehen hat. Das ist kein Risikomanagement, das ist Bürokratie als Kunstform.