Kostenverteilung in der WEG: So wird nach Miteigentumsanteilen, Nutzung und Abweichungen gerechnet

Okt 29, 2025

Kostenverteilung in der WEG: So wird nach Miteigentumsanteilen, Nutzung und Abweichungen gerechnet

Kostenverteilung in der WEG: So wird nach Miteigentumsanteilen, Nutzung und Abweichungen gerechnet

Wie viel zahlt eigentlich jeder Wohnungseigentümer für die Reparatur des Daches, die Heizungsmodernisierung oder den Winterdienst? Die Antwort klingt einfach: nach dem Miteigentumsanteil. Doch in der Praxis ist es oft komplizierter. Viele Eigentümer glauben, dass größere Wohnungen automatisch mehr zahlen - das stimmt nicht immer. Und wer profitiert besonders von einer Dachsanierung? Sollte der Eigentümer im Erdgeschoss genauso viel zahlen wie der im Dachgeschoss? Die Gesetze haben sich geändert. Seit 2022 ist es einfacher geworden, die Kosten anders zu verteilen - und viele WEGs nutzen das jetzt.

Was sind Miteigentumsanteile und warum gelten sie als Standard?

Der gesetzliche Ausgangspunkt für die Kostenverteilung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ist Miteigentumsanteile (MEA). Das steht klar in § 16 Abs. 2 Satz 1 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG): Jeder Eigentümer trägt die Gemeinschaftskosten nach seinem Anteil. Diese Anteile werden beim Bau des Gebäudes vom Bauträger festgelegt und im Teilungsplan und Grundbuch eingetragen. Sie sind nicht willkürlich. Sie orientieren sich meist an der Wohnfläche, aber auch an anderen Faktoren: Wie hoch ist die Wohnung? Ist sie im Erdgeschoss oder im Dachgeschoss? Hat sie einen Balkon oder einen Gartenanteil? Hat sie eine bessere Aussicht? All das kann den Anteil beeinflussen.

Ein Beispiel: In einem Gebäude mit 12 Wohnungen gibt es 1.000.000 Miteigentumsanteile insgesamt. Eine kleine Wohnung mit 50 Quadratmetern im zweiten Stock hat 95.000 Anteile. Eine größere Wohnung mit 80 Quadratmetern im Erdgeschoss hat nur 88.000 Anteile - weil sie keinen Garten hat und weniger Licht bekommt. Das ist nicht ungewöhnlich. Wer nur auf die Quadratmeter schaut, versteht die Kostenverteilung nicht. Die MEA sind der gesetzliche Standard - und sie gelten, solange nichts anderes beschlossen wurde.

Welche Kosten werden überhaupt verteilt?

Nicht alle Kosten sind gleich. Die WEG muss für zwei Arten von Ausgaben aufkommen: für das gemeinschaftliche Eigentum und für das sonderrechtlich genutzte Eigentum. Dazu gehören:

  • Instandhaltung und Instandsetzung von Treppenhäusern, Fassade, Dach, Aufzug, Heizungsanlage
  • Verwaltungskosten: Jahresabrechnung, Buchhaltung, Versicherungen, Treffen der Eigentümerversammlung
  • Betriebskosten: Heizung, Warmwasser, Strom für Treppenhaus, Gartenpflege, Müllabfuhr
  • Modernisierungskosten: Neue Fenster, Wärmepumpe, Isolierung, barrierefreier Aufzug
  • Kosten für bauliche Veränderungen: Neue Eingangstür, Umgestaltung des Gartenbereichs

Einige Kosten werden nicht nach MEA verteilt - und das ist gesetzlich vorgeschrieben. Bei Heiz- und Warmwasserkosten zum Beispiel muss nach Verbrauch abgerechnet werden. Das bedeutet: Jeder zahlt, was er wirklich verbraucht, mit Hilfe von Heizkostenverteilern. Das ist klar geregelt. Aber für den Winterdienst, die Fassadenreinigung oder die Dachsanierung? Da gilt der MEA-Schlüssel - es sei denn, die Eigentümerversammlung beschließt etwas anderes.

Abweichungen vom Miteigentumsanteil: Wann und wie ist das erlaubt?

Seit der WEG-Reform vom 1. Dezember 2022 ist es einfacher geworden, von der gesetzlichen Regelung abzuweichen. Früher brauchte man eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen und mindestens die Hälfte der Miteigentumsanteile. Heute reicht eine einfache Mehrheit der anwesenden Eigentümer - solange sie zusammen mindestens ein Viertel der Miteigentumsanteile repräsentieren. Das ist ein großer Unterschied. Viele WEGs haben das noch nicht genutzt - aber sie sollten.

Warum? Weil der MEA-Schlüssel nicht immer gerecht ist. Ein Beispiel aus Graz: Eine WEG mit zwölf Wohnungen musste das Dach sanieren. Die Kosten lagen bei 80.000 Euro. Nach MEA müsste jeder Eigentümer zahlen - egal ob er im Erdgeschoss oder im Dachgeschoss wohnt. Aber wer profitiert am meisten? Die oberen drei Stockwerke. Sie haben direkten Kontakt zum Dach. Sie spüren den Unterschied, wenn es dicht ist. Die Erdgeschoss-Wohnungen profitieren kaum. Sie haben keine Feuchtigkeit mehr, aber auch keinen neuen Komfort. Die Eigentümer im Erdgeschoss wehrten sich. Sie fühlten sich ungerecht behandelt.

Was tun? Die WEG hat einen neuen Beschluss gefasst. Sie hat die Kosten nach dem Nutzenprinzip verteilt: Die oberen drei Stockwerke trugen 40 % der Kosten, die restlichen neun Wohnungen 60 %. Das war fair. Und das ist jetzt möglich. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in zwei Urteilen vom Januar 2024 klargestellt: Wenn eine Maßnahme nur bestimmte Wohnungseigentümer besonders nutzt, darf die Kostenverteilung abweichen - wenn die Mehrheit das beschließt.

Wohnungseigentümer in einer Versammlung, die eine digitale Kostenaufteilung an einem Tablet analysieren.

Welche Alternativen zum Miteigentumsanteil gibt es?

Es gibt mehrere Wege, die Kosten gerechter zu verteilen. Die gängigsten sind:

  • Wohnfläche: Jeder zahlt proportional zur Größe seiner Wohnung. Das ist einfach, aber nicht immer fair - besonders bei Dach- oder Fassadensanierungen.
  • Nutzungsprinzip: Wer mehr Nutzen hat, zahlt mehr. Das ist ideal für Dach, Aufzug, Außenanlagen oder Sanierungen, die nur bestimmte Wohnungen betreffen.
  • Verbrauch: Für Heizung, Warmwasser, Strom im Treppenhaus. Hier ist es gesetzlich vorgeschrieben - und das ist gut so.
  • Anzahl der Wohneinheiten: Jede Wohnung zahlt gleich viel. Das funktioniert nur in sehr kleinen WEGs mit wenigen Einheiten.
  • Anzahl der Bewohner: Selten, aber manchmal in kleinen Gemeinschaften, wenn Kinder oder Haustiere die Nutzung beeinflussen.
  • Verursachungsprinzip: Wer die Maßnahme beantragt, trägt die Kosten - es sei denn, die Mehrheit beschließt etwas anderes (§ 21 WEG).

Die meisten WEGs in Deutschland (laut Umfrage von Wohnen im Eigentum e.V. 2022) nutzen immer noch den MEA-Schlüssel - 68 %. 22 % kombinieren MEA mit Wohnfläche. Nur 10 % nutzen Nutzen- oder Verbrauchsschlüssel. Das ist zu wenig. Die Technik ist da. Die Rechtslage ist klar. Die Gerechtigkeit fehlt oft nur wegen fehlender Beschlüsse.

Wie wird eine abweichende Verteilung beschlossen?

Ein Beschluss ist kein Zufall. Er muss richtig gemacht werden. Hier ist, wie es funktioniert:

  1. Agenda vorbereiten: Die Kostenverteilung muss als Tagesordnungspunkt bei der Eigentümerversammlung stehen. Ein einfacher Satz wie „Änderung der Kostenverteilung für Dachsanierung“ reicht nicht. Es muss klar formuliert sein: „Beschluss über die Verteilung der Dachsanierungskosten nach dem Nutzenprinzip statt nach Miteigentumsanteilen.“
  2. Protokoll schreiben: Jeder Beschluss muss schriftlich festgehalten werden. Wer hat dafür gestimmt? Wer dagegen? Wer hat sich enthalten? Das Protokoll ist später der Beweis.
  3. Mindestbeteiligung prüfen: Die anwesenden Eigentümer müssen mindestens ein Viertel der Miteigentumsanteile vertreten. Wenn nur zwei von zwölf Eigentümern kommen, aber sie zusammen 30 % der Anteile haben - dann ist die Beschlussfähigkeit gegeben.
  4. Einfache Mehrheit: Mehr als die Hälfte der anwesenden Eigentümer muss zustimmen. Nicht die Gesamtzahl aller Eigentümer - nur die, die da sind.
  5. Eintragung in die Beschlusssammlung: Der Beschluss wird in das offizielle Protokollbuch der WEG eingetragen. Das ist Pflicht.
  6. Gegebenenfalls Grundbuchänderung: Wenn die Kostenverteilung dauerhaft geändert werden soll (z. B. in der Gemeinschaftsordnung), muss das im Grundbuch aktualisiert werden. Das kostet Geld, dauert aber nur wenige Wochen.

Ein Fehler: Viele WEGs beschließen „Kosten nach Wohnfläche“ - aber vergessen, welche Wohnfläche genau gemeint ist. Bruttowohnfläche? Nettowohnfläche? Nur nutzbare Fläche? Das führt später zu Streit. Deshalb: Im Beschluss immer genau definieren. Und wenn es kompliziert ist - holen Sie sich einen Rechtsanwalt oder einen WEG-Verwalter dazu. Ein falscher Beschluss kann vor Gericht angefochten werden.

Schnitt durch ein Wohnhaus, das verschiedene Kostenverteilungsmodelle für Heizung, Dach und Treppenhaus visuell darstellt.

Was ändert sich in Zukunft?

Die Entwicklung geht klar in eine Richtung: mehr Flexibilität, mehr Digitalisierung, mehr Gerechtigkeit. Die Bundesregierung arbeitet an einer neuen WEG-Reform, die bis Ende 2025 in Kraft treten könnte. Der Plan: Die Mehrheit für Modernisierungsmaßnahmen soll weiter gesenkt werden - vielleicht sogar auf einfache Mehrheit der anwesenden Eigentümer, ohne Mindestanteil. Das wäre ein großer Schritt für energieeffiziente Sanierungen.

Und die Technik hilft schon jetzt. Digitale Verwaltungssysteme wie Matera oder Conda berechnen automatisch, wie sich Kosten bei verschiedenen Verteilungsschlüsseln verteilen. Sie zeigen: Wenn wir die Dachsanierung nach MEA verteilen, zahlt Wohnung 3 mit 50 m² 8.500 Euro. Wenn wir nach Nutzen verteilen, zahlt sie nur 4.200 Euro. Das macht den Unterschied sichtbar. Bis 2027 werden laut Fachzeitschrift „Der Eigentümer“ 75 % der deutschen WEGs digitale Tools nutzen - und damit weniger Streit haben.

Langfristig wird die Kostenverteilung nicht mehr nach einem einzigen Schlüssel laufen. Es wird individuell: Heizkosten nach Verbrauch, Treppenhausreinigung nach MEA, Dachsanierung nach Nutzen, Gartenpflege nach Wohnfläche. Das ist komplex - aber es ist gerechter. Und es ist möglich. Die Gesetze erlauben es. Die Technik unterstützt es. Es fehlt nur noch der Mut, es zu beschließen.

Was tun, wenn Sie sich ungerecht behandelt fühlen?

Wenn Sie glauben, dass Ihre Kosten zu hoch sind - und der Schlüssel unfair ist - dann handeln Sie nicht allein. Sprechen Sie mit anderen Eigentümern. Fragen Sie nach den Zahlen. Holen Sie sich die aktuelle Hausgeldabrechnung. Prüfen Sie, ob die MEA im Grundbuch richtig eingetragen sind. Und dann: Bringen Sie einen Vorschlag für eine faire Verteilung in die nächste Eigentümerversammlung ein. Sie müssen nicht warten, bis jemand anderes etwas tut.

Einige WEGs haben schon gezeigt: Es geht. Mit klaren Regeln, mit offener Kommunikation, mit einem Beschluss, der fair ist. Die Kostenverteilung ist kein Rechtsproblem - sie ist ein Gemeinschaftsproblem. Und Gemeinschaften lösen Probleme gemeinsam.

Kann ich die Kostenverteilung einfach so ändern, ohne dass alle zustimmen?

Nein. Jede Änderung der Kostenverteilung muss von der Eigentümerversammlung beschlossen werden. Seit 2022 reicht dafür eine einfache Mehrheit der anwesenden Eigentümer - solange sie mindestens ein Viertel der Miteigentumsanteile repräsentieren. Ein einzelner Eigentümer kann das nicht allein entscheiden.

Ist es fair, wenn eine kleine Wohnung mehr kostet als eine große?

Ja - wenn die Miteigentumsanteile richtig berechnet wurden. MEA orientieren sich nicht nur an der Wohnfläche, sondern auch an Lage, Ausstattung und Nutzungswert. Eine kleine Wohnung mit Balkon und Südseite kann mehr Anteile haben als eine größere Wohnung ohne Balkon im Nordosten. Das ist gesetzlich zulässig. Wer nur auf Quadratmeter schaut, versteht die Verteilung nicht.

Was passiert, wenn ich gegen einen Beschluss zur Kostenverteilung stimme?

Sie müssen den Beschluss trotzdem befolgen - solange er rechtsgültig gefasst wurde. Gegen Beschlüsse der Eigentümerversammlung kann man innerhalb von drei Monaten eine Anfechtungsklage beim Amtsgericht einreichen - aber nur, wenn der Beschluss formell oder inhaltlich rechtswidrig ist (z. B. unklar formuliert, oder gegen das WEG verstoßend). Ein unangenehmer Beschluss ist nicht automatisch ungültig.

Kann ich die Kostenverteilung für einzelne Kostenarten unterschiedlich festlegen?

Ja, das ist sogar empfehlenswert. Heizkosten werden nach Verbrauch verteilt - das ist gesetzlich vorgeschrieben. Für die Dachsanierung kann ein Nutzenprinzip gelten. Für die Treppenhausreinigung bleibt der MEA-Schlüssel sinnvoll. Viele WEGs nutzen heute genau diese Mischform - und sie funktioniert besser als ein einheitlicher Schlüssel für alles.

Warum zahle ich für die Dachsanierung, wenn ich im Erdgeschoss wohne?

Nach dem gesetzlichen MEA-Schlüssel zahlen alle gleich - unabhängig vom Stockwerk. Aber das ist nicht fair. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt: Wenn eine Maßnahme nur bestimmte Wohnungen besonders nutzt, darf die Verteilung abweichen. Die oberen Stockwerke profitieren mehr von einem neuen Dach - sie zahlen dann mehr. Das ist jetzt möglich - und es ist rechtlich abgesichert.

2 Kommentare

Shane Dolan
Shane Dolan
Oktober 30, 2025

Endlich mal ein Artikel, der endlich klar macht, dass MEA nicht alles ist. Ich hab in meiner WEG jahrelang gegen die Dachkosten gekämpft – Erdgeschoss, kein Nutzen, aber volle Kosten. Seit wir auf Nutzenprinzip umgestellt haben, ist die Stimmung total besser. Kein mehr ‘du zahlst, weil du da wohnst’, sondern ‘du zahlst, weil du was davon hast’. Einfach menschlich.

Leute, macht das doch auch. Es ist nicht schwer. Einfach einen Vorschlag einbringen. Keine Angst vor ‘die anderen’.

Carsten Langkjær
Carsten Langkjær
Oktober 31, 2025

Interessant, dass hier so viel über Gerechtigkeit geredet wird, aber kaum jemand erwähnt, dass die MEA nicht willkürlich festgelegt wurden, sondern auf einer wirtschaftlichen Bewertung basieren, die auch den Wertverlust, die Nutzungsdauer und die statische Belastung berücksichtigt. Ein Dach, das undicht wird, beeinträchtigt nicht nur die oberen Wohnungen – es kann auch die Fassadenisolierung, die Untergeschosse und sogar die Fundamente schädigen. Die Kostenverteilung nach Nutzen mag emotional verlockend sein, aber sie ignoriert die technische Realität. Wer sagt, dass ein Erdgeschossbewohner nicht indirekt von einer wärmedämmenden Dachsanierung profitiert? Durch geringere Wärmeverluste sinkt der Energiebedarf im gesamten Haus. Das ist kein Mythos, das ist Physik.

Und wenn man schon umverteilt – warum nicht auch die Kosten für den Aufzug nach Anzahl der Nutzungen? Oder die Hausmeisterkosten nach Bewohnerzahl? Dann landen wir in einem Chaos aus Ausnahmen. Der MEA ist kein Dogma, er ist ein stabiler Rahmen. Und der ist jetzt noch flexibler geworden – das ist der Fortschritt, nicht die Zersplitterung.

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